Trägheitsnavigation

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Bei der Trägheitsnavigation kommen Inertialsensoren zum Einsatz, die auf Basis der Massenträgheit drei zueinander orthogonale translatorische und drei rotatorische Anteile einer Objektbewegung messen, um auf die Bewegung zurückzuschließen. Wie gut das mit günstigen Sensoren funktioniert, wie sie in modernen Handys verbaut sind oder zum Beispiel auf dem STM32 F3 Discovery Dev-Board zu finden sind, gilt heraus zu finden.

Gyroskop

liefert Orientierung(?) oder Drehgeschwindigkeit je nach Sensortyp(?). Die kleinen MEMS Gyroskope geben uns die Drehgeschwindigkeit.

Interessante Links dazu:

Beschleunigungssensoren

liefern Beschleunigungen. Aufgrund der Erdanziehung ist typischerweise zu erwarten, dass der gemessene Beschleunigungsvector die Summe aus tatsächlicher Beschleunigung und 1g nach oben ist. Dazu kommen dann natürlich noch Messfehler und systematische Fehler.

Probleme

  • Messdaten sind verrauscht und haben einen Bias. Stärke des Rauschens und der Bias selbst sind auch Temperaturabhängig. Wie man das so mitbekommt, sind gerade MEMS Gyroskope stark temperaturabhängig, warum man auch in einigen Chips ein Thermometer integriert ist.
  • Integration in Kombination mit Messrauschen ist "fies", sehe Abschnitt "Integration als Filter begreifen".

Integration als Filter begreifen

Wir kommen über Integration von Beschleunigung auf Geschwindigkeit und von Geschwindigkeit auf Position im Falle von Accelerometern. Bei Gyroskopen messen wir die Drehgeschwindigkeit und können per Integration die Orientierung bestimmen. Man kann dabei einen Integrator als Filter verstehen, der tiefe Frequenzen verstärkt und hohe Frequenzen dämpft. Genauer gesagt gibt es bei der Integration über die Zeit in Sekunden eine Amplitudenübertragung von 1/(2*pi*f), wobei f die Frequenz in Hz ist, und eine Phasenverschiebung von -90°. Dieses Filter arbeitet natürlich auch auf dem Messrauschen, weswegen die tieffrequenten Anteile (einschließlich eines Fehler-Offsets) leider kaum zu gebrauchen sind. Der aufmerksame Leser wird gemerkt haben, dass der DC-Offsent wegen 1/f sich unendlich verstärkt ... also mit der Zeit davon läuft. In IIR-Filter-Sprech ist das Ding "unstabil".

Was noch so nützlich sein könnte

  • Kalman Filter
  • Complementary Filter

Programmcode/Algorithmen

  • sg hat was gebastelt, ist aber noch relativ experimentell.

Rotationen

Aus einer 3-achsigen Drehgeschwindigkeit vrot in rad/s und einer Zeitspanne delta_t in Sekunden lässt sich ein 3-achsiger Rotationswinkel über a=vrot*delta_t in rad bestimmen. Die drei Winkel ax, ay und az lassen sich per Rodrigues-Formel in eine Rotationsmatrix umwandeln. Allerdings erfordert die Auswertung dieser Formel eine Wurzel für die 2-Norm ||a|| von a sowie die Berechnung von sin(||a||) und cos(||a||).

Visualisierung der Approximationen für Rotationen, 0-90° in Schritten von 10°

Für sehr kleine Drehwinkel könnte man eine Linearisierung verwenden:

                   |  0  -az  ay |
R1 = I + [a] = I + |  az  0  -ax |   (Annäherung 1. Ordnung)
                   | -ay  ax  0  |

Hier kommt man ohne komplizierte Funktionen wie sqrt, sin und cos aus. Die eckigen Klammern machen aus einem Vektor eine Matrix. Man beachte aber, dass das hier bei a!=0 keine Rotationsmatrix mehr ist und dass man wenn man die von rechts an die aktuelle Orientierungsmatrix dranmultipliziert letztere wieder "normalisieren" muss. Das geht über ein paar Kreuzprodukte sowie Skalierungen. Für das Normalisieren von Zeilen oder Spalten auf 1 kommt man auch um die Wurzel herum, wenn man 1/sqrt(t) mit 1.5-0.5*t approximiert. So eine Normalisierung muss man so oder so durchführen, weil sich ja auch Rundungsfehler akkumulieren.

Bessere Approximationen sind immer noch ohne schwierige mathematische Funktionen möglich. Die folgende Formel entspricht einer Annäherung zweiter Ordnung:

                                        | -ay*ay-az*az     ax*ay        ax*az    |
R2 = I + [a] + 1/2 * [a]^2 = R1 + 1/2 * |     ax*ay    -ax*ax-az*az     ay*az    |
                                        |     ax*az        ay*az    -ax*ax-ay*ay |

Die nächstbesseren Approximationen (3. und 4. Ordnung) ergeben sich mit

a2 = ||a||^2 = ax*ax+ay*ay+az*az

R3 = I + (1-a2/6) * [a] +  1/2        * [a]^2
R4 = I + (1-a2/6) * [a] + (1/2-a2/24) * [a]^2

Hier gibt es klar einen Performance/Genauigkeits-Zielkonflikt. Ist die Abtastrate hoch genug und dementsprechend die Drehwinkel klein, reicht wahrscheinlich die Näherung 2. Ordnung; denn es gibt ja auch noch das Messrauschen, was ggf einen viel stärkeren Einfluss auf die Genauigkeit hat als die Approximationsfehler der Rodriguesformel.

Die verschiedenen Genauigkeiten dieser Approximationen lassen sich als verschiedene Näherung eines Kreisbogens darstellen. Siehe Bild rechts.

Ideen/Strategien/TODO

  • Mal so ein Rauschsignal der versch. Sensoren "richtig" angucken (Leistungsdichtespektrum)
  • Temperaturabhängigkeit checken
  • Wie lassen sich die Messfehler modellieren? (nur Offset und Rauschen oder auch nichtlinear?)
  • überlegen, wie man sowas kalibriert
  • Die Orientierung sollte sich dank Erdanziehungskraft wenigstens ein bisschen korrigieren lassen, so dass oben/unten immer noch oben/unten bleibt -- vielleicht per Complementary Filter.
  • Vielleicht kann man einen Fußgänger-Modus einführen, der die Schritte per auf/ab erkennt und damit die Geschwindigkeit besser ratet, als man die über die Accelerometer integrieren kann. Als Fußgänger wird es wahrscheinlich noch besser funktionieren, wenn man sich die Sensoren auf den Schuh klebt. Damit könnte man den Drift der integrierten Geschwindigkeit elemenieren, weil man ja weiß, dass sich der Fuß relativ zum Boden in bestimmten Phasen nicht bewegt --> Zero Velocity Updat (ZUPT).